Reisen mit wenig Rendite

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. September 2011 Es ist die „Suche nach dem heiligen Gral“: Zufriedene Urlauber und hohe Margen – beides erreicht die Reisebranche nicht. Deshalb ist Bescheidenheit angesagt.

Der „heilige Gral der Pauschalreise“ ist schwer zu bekommen. Die Redewendung umschreibt das Ziel der Touristikunternehmen, 5 Prozent vom Umsatz als Gewinn einzustreichen. Gewählt hatte die Worte einst Tourismusmanager Manny Fontenla-Novoa. Inzwischen musste der gebürtige Spanier seinen Posten an der Spitze von Europas zweitgrößtem Reiseveranstalter Thomas Cook räumen. Nach drei Gewinnwarnungen in Folge hatten Anleger das Vertrauen verloren, im von Fontenla-Novoa geführten Hause Thomas Cook eines Tages den Gral der Branche zu finden. Der Manager trat im August zurück. Und auch in den Bilanzen von vielen Konkurrenten des britischen Konzerns suchen Analysten vergeblich Renditen von 5 Prozent.

Die Tourismusbranche schafft es nicht, mit dem Margen von Autoherstellern, Maschinenbauern oder IT-Konzernen mitzuhalten. Reise und Rendite erscheinen als Gegensatzpaar. Die Branche, die Jahr für Jahr Millionen Menschen Urlaubsträume erfüllt, leidet unter dem Makel, ihren Investoren wenig Traumhaftes vorlegen zu können. Auf magere Zahlen folgen fallende Kurse. Die Aktien von Thomas Cook und vom Europas Marktführer Tui Travel wurden nacheinander aus dem Londoner FTSE-100-Index aussortiert – wegen der zusammengeschnurrten Anteilswerte reichte die Marktkapitalisierung nicht mehr für einen Platz im Index.

„Die Reisebranche ist ein hartes Geschäft und hat sich unterdurchschnittlich entwickelt“, erklärt Analyst Raimon Kaufeld von der West LB. Der Aktienindex Dax liegt trotz des jüngsten Einbruchs aktuell immer noch gut 15 Prozent höher als vor einem Jahrzehnt. „Alle touristischen Werte haben dagegen in den vergangenen zehn Jahren verloren“, sagt Kaufeld. Zuletzt zogen die Turbulenzen bei Thomas Cook auch den Börsenkurs von Tui Travel mit abwärts.

Spöttische Bemerkungen

Die Suche nach dem Gral der Pauschalreise treiben die Touristiker dennoch nicht mit finsterer Miene voran. Auf dem Kölner Fachkongress, den das Branchenmagazin „fvw“ jährlich ausrichtet, herrscht angesichts eines guten Sommergeschäft freudige Stimmung – was manchen Teilnehmer zu der spöttischen Bemerkung verleitet, man sei ohnehin nicht wegen der mageren Rendite in der Reisebranche tätig, sondern weil es lustig sei. Norbert Fiebig, der Chef der Reisesparte des Einzelhändlers Rewe, bekennt auch freimütig, dass Rewe „Spaß“ an der Touristik habe. Marken wie ITS, Tjaereborg und Jahn-Reisen lieferten „positive Beiträge zum Gesamtgeschäft“.

Allerdings dürften diese Beiträge alles andere als üppig sein. „2 Prozent Rendite sind erreichbar“, gab Fiebig überraschend als Ziel aus, damit sei Rewe-Touristik „gut bedient“. Gleichzeitig warnte er vor „überrissenen Renditevorstellungen“ von 5 Prozent. Diesen Wert hatte einst Thomas Cook ausgegeben – aber auf Konzernebene nicht erreicht. So bescheiden will man im Tui-Konzern dennoch nicht sein – obwohl der Konzern in den vergangenen Jahren mehr von Einnahmen seiner Tochterreederei Hapag-Lloyd als von der Veranstaltergesellschaft Tui Travel profitierte. Schon aus Rücksicht auf die Aktionäre wären zu niedrige Ziele nicht optimal, deutet Finanzvorstand Horst Baier an. Er strebt eine Rendite an „in einer Größenordnung, dass Anleger gern zu uns kommen, weil wir uns vom Wettbewerb abheben“ – und das bedeutet: „mehr als 2 Prozent“. Doch auch die wichtige Tui-Travel-Deutschlandsparte übersprang im vergangenen Jahr die kritische Marke gerade eben.

Gegensteuern mit Exklusivität

Immerhin besteht Hoffnung. Zwar habe sich in den vergangenen zehn Jahren eine Investition in Tourismuswerte nicht gelohnt, „das heißt aber nicht, dass es auch jetzt keinen Sinn macht“, sagt Analyst Kaufeld. Die Konzerne bauen um. Bei Tui in Hannover soll rationalisiert werden. Mehrere hundert Stellen könnten wegfallen. Auch die Urlaubsprodukte verändern sich. Sonne, Strand und Sangria reichen nicht mehr, um Urlauber zu begeistern und gleichzeitig solide Einnahmen zu erzielen. Zu lange setzte die Branche auf Reisen wie vom Fließband. Urlauber erkannten, dass sie Massenprodukte gebucht hatten. Weil Vergleichsseiten im Internet und Reisebüro-Buchungssysteme die günstige Tour immer oben listen, verschärfte sich der Preiswettbewerb.

Mit exklusiven Hotelmarken, die nur über einen Anbieter gebucht werden können, steuern die Touristiker gegen. TUI hat schon drei Exklusivmarken im Programm, zwei weitere sollen bis zum Jahresende vorgestellt werden. Schon vor Monaten hatte TUI-Deutschland-Chef Volker Böttcher stolz verkündet, dass Kunden mit den neuen Produktlinien zufriedener seien als mit den übrigen Hotels im Portfolio. „Kundenurteile werden eine immer größere Rolle spielen“, ist auch Rewe-Manager Fiebig überzeugt. „Hotels, die in der Kundenbewertung gut wegkommen, werden höhere Margen zulassen.“

Die Bewertungen der Gäste werden dank stetig wachsender Online-Vergleichsportale zur neuen Währung, um Chancen auf eine höhere Rendite zu erkaufen. Doch es gibt noch einen Wert, mit dem die Touristiker ihre Leistungsfähigkeit beweisen wollen. Dabei haben sie nicht den branchenüblichen „underlying profit“ im Blick – einen Ergebniswert, aus dem Steuern, Zinslasten und sogar besondere Ereignisse wie eine Aschewolke herausgerechnet sind. Lieber auf die Rendite auf das eingesetzte Kapital statt auf den Umsatz achten, heißt es. Da Veranstalter teure Hotelkomplexe in der Regel nicht selbst besitzen, sondern nur die Reise dorthin organisieren, ergäben sich leicht erquicklichere Zahlen. „Für Reiseveranstalter ist dann eine Rendite von 2 Prozent sehr gut, weil die Kapitalbindung sehr gering ist“, sagt Rewe-Touristiker Fiebig. Fontenla-Novoas Tourismusgral wäre damit aber noch nicht aufgespürt.

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