Hürdenläufer im Urlaubsgeschäft

F.A.Z. vom 7. Dezember 2018. Peter Fankhauser führt Thomas Cook. Der Reisekonzern ist gerade in großen Turbulenzen. Nun muss der geübte Sanierer schon wieder um Vertrauen von Investoren werben.

Privat joggt er gern, beruflich ist er ein Hürdenläufer. Die Frage, wie viele Kraftproben und Hürden ein Manager bewältigen kann, ohne die Kondition zu verlieren, drängt sich bei Peter Fankhauser, dem Vorstandsvorsitzenden von Europas zweitgrößtem Reisekonzern Thomas Cook, auf. Nach zwei gerissenen Gewinnprognosen und dem ersten Verlust seit Jahren stufen Anleger Thomas Cook – hierzulande besser bekannt über Marken wie Neckermann-Reisen, Öger-Tours und die Fluggesellschaft Condor – wieder als Notfall ein, nachdem der Konzern 2011 am Abgrund stand. Der nächste Einsatz für den 58 Jahre alten Hürdenläufer Fankhauser.

Seit Ende 2014 führt der Schweizer den TUI-Rivalen. Auf den Chefposten gelangte der in geselliger Runde temperamentvoll in Schwyzerdütsch parlierende Manager auch deshalb, weil er über Jahre stets stärkere Ergebnisse ablieferte als Wegbegleiter. Nun steht Fankhauser selbst an der Spitze und muss nach einem „enttäuschenden Jahr“ um das Vertrauen von Kunden und Investoren werben. Der Aktienkurs schwankt bedrohlich – hin und her gerissen zwischen der Verlustmeldung, Spekulantenwetten, dem Dementi einer Kapitalerhöhung und der Beteuerung, mit viel weniger Schulden als 2011 belastet zu sein.

2001 war der promovierte Betriebswirt und Vater von drei Kindern in die Thomas-Cook-Welt gekommen – er trat in Oberursel bei Frankfurt in dem Unternehmen C&N Touristik an, das dem Warenhauskonzern Karstadt und der Deutschen Lufthansa gehörte. Das „C“ stand für die Fluggesellschaft Condor, „N“ für Neckermann-Reisen. C&N kaufte das britische Unternehmen Thomas Cook, um zu den großen der Reisebranche aufzuschließen. Der Weg geriet steinig. Umbauschritte des damaligen C&N-Chefs Stefan Pichler, der später vorletzter Vorstandschef von Air Berlin war, waren nicht gut angekommen. Fankhauser gelang die Wende im Deutschland-Geschäft. Als der – zwischenzeitlich von Thomas Middelhoff geführte – Karstadt- und Thomas-Cook-Mutterkonzern Arcandor selbst an den Abgrund geriet, diente die Cook-Beteiligung Banken als Pfand für Milliardendarlehen.

Die Sonnenzeit währte kurz. Fehler im britischen Management brachten Cook nach dem Abschied von Arcandor selbst in eine Notlage. Die wurde zur großen Chance für Fankhauser, denn in Deutschland war er mit Blick auf die Rendite dem Konkurrenten TUI enteilt, weil er Unprofitables aufgegeben hatte. „Marktanteile kann man nicht zur Bank tragen“, lautete Fankhausers Formel, die er schmunzelnd oft wiederholte. Er zog in den Konzernvorstand ein. Als seine Vorgängerin Harriet Green 2014 plötzlich abtrat, war er der geborene Nachfolger für den Chefposten.

Ohnehin wünschte man sich im Konzern anstelle der quirligen Turnaround-Managerin einen Fachmann für Reisen an der Spitze. Investoren waren skeptisch, Thomas Cook, der britische Konzern, benannt nach dem britischen Erfinder der Pauschalreise, wurde nun von einem Schweizer geführt, der in der Reisebranche bestens vernetzt, an der Londoner Börse aber kaum bekannt war.

Fankhauser ist ein Reisemanager, der die Branche und den eigenen Konzern auch zum Innehalten ruft, wenn etwas aus dem Ruder läuft. Im Fall von Thomas Cook war es der Tod zweier Kinder in einem griechischen Hotel, das Unglück aus der Amtszeit seines Vorvorgängers lag lange zurück, der Konzern fand aber über Jahre kein Wort der Entschuldigung an die Eltern. Fankhauser brach das Schweigen. „Wenn wir den Kunden nicht in den Mittelpunkt stellen, dann gibt es uns in einigen Jahren nicht mehr“, sagte er.

Nach vier Jahren an der Spitze steht er weiter vor der Herausforderung, den Konzern auf veränderte Kundenvorlieben auszurichten – statt Massenabfertigung auf Pauschalreisen sollen es individuelle Urlaube sein. Für den Wandel hat Fankhauser weniger Geld zur Verfügung als der Rivale TUI. Der aktuelle Jahresverlust macht dies nicht einfacher – zumal der Konzern Anleger spät auf die schlechten Zahlen vorbereitete. Der Finanzvorstand verließ den Konzern. Der Verantwortliche für das britische Geschäft will sich „aus persönlichen Gründen“ verabschieden.

Fankhauser müht sich als Hürdenläufer und als Netzwerker. Um mehr eigene Hotels zu bekommen, ohne in Steine zu investieren, wurde eine Partnerschaft mit dem Immobilieninvestor LMEY eingegangen, der einen Fonds aufgelegt hat. Spielte seine Vorgängerin mit der Idee, dass Sommerurlauber bestimmt gern auch viele Städtereisen von Cook buchen wollen, stoppte Fankhauser diese Weiterung mit ungewissen Erfolgsaussichten und schloss lieber einen Pakt mit dem Online-Reisegiganten Expedia. Wer bei Cook nun eine Städtereise bucht, bekommt etwas aus dem Sortiment des Expedia-Konzerns, der bei Auswahl und Buchungstechnik Cook voraus war. Lieber im Kerngeschäft gut sein, statt auf Nebenfeldern hinterherzurennen – das machte Fankhauser zur Devise. Zur Brillanz im Detail soll gehören, dass Cook sein Kernportfolio an Hotels von rund 3000 auf 2500 senkt. Dort will der Konzern alles im Griff haben, statt es Franchisepartnern zu überlassen. Eine Auffrischung der Flugsparte steht derweil aus, um in die Jahre gekommene Langstreckenjets zu ersetzen. Erste Analysten spekulieren, dass Cook einen Anteil der Flugsparte veräußern könnte. Es wäre die nächste Partnersuche.

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