Ein Mann fürs Feine

F.A.Z. vom 9. März 2012 Eine große Leidenschaft für Mallorca verbindet ihn mit seinem Aufsichtsratschef. Doch die Distanz vom Ferienhaus von Peter Long, dem Vorstandsvorsitzenden des Reiseveranstalters TUI Travel, zum Domizil von Michael Frenzel könnte auf der Ferieninsel könnte kaum größer sein. „Ich habe ein Haus im Norden, und Michael wohnt im Süden“, sagt Long mit dem ihm eigenen britischen Humor.

„Der große Abstand verhindert, dass wir uns beim Treffen im Restaurant immer nur über das Geschäft unterhalten müssen.“ Auch im Tagesgeschäft trennen Long und Frenzel – aus geographischer Sicht – Welten. Der 59 Jahre alte Brite lenkt TUI Travel, den größten Reiseveranstalter in Europa, von der englischen Kleinstadt Crawley aus weitgehend in Eigenregie. Frenzel zeichnet in Hannover verantwortlich für die Strategie des TUI-Mutterkonzerns. „Wir haben eine gute Arbeitsbeziehung“, beschreibt Long sein Verhältnis zu dem mitunter etwas kühl wirkenden Konzernlenker. „Und ich weiß ihn bei wichtigen Entscheidungen hinter mir.“

Unabhängig davon, ob Kenner des Konzerns bisweilen von persönlichen Spannungen der beiden selbstbewussten Manager berichten, fest steht: Für Frenzel ist die Expertise des langjährigen Profis im Reisegeschäft unverzichtbar. Der Sohn eines britischen Marineoffiziers, der in Malta geboren wurde, absolvierte zunächst die Ausbildung eines nüchternen Rechnungsprüfers, bevor er ins weltläufige Geschäft der Touristik wechselte. Mit dem Innenleben eines Reiseveranstalters machte er sich zunächst in der Controllingabteilung der International Leisure Group vertraut. Als sich dieses Unternehmen mit Zukäufen verzettelte und im Markt scheiterte, reagierte Long auf diese Niederlage, indem er einen eigenen Reiseveranstalter gründete. Sein unternehmerisches Wagnis Sunworld war binnen Kürze so erfolgreich, dass der britische Platzhirsch Thomas Cook den Fernreisespezialisten übernehmen wollte.

Long nutzte die Gunst der Stunde, machte mit Sunworld Kasse und wechselte 1996 in die Chefetage von First Choice. Den zwar als seriös, aber auch als verstaubt geltenden Touristikanbieter führte der begeisterte Wasserski-Fan und Freizeitsegler binnen sieben Jahren zu neuer Blüte. Durch ausgewählte Zukäufe und mit pfiffigen Ideen erweiterte er das Angebot. Schließlich reichte die Palette von First Choice vom Aktivurlaub für Bergwanderer über Kreuzfahrten im Polarmeer bis hin zu Wellness-Reisen. Gleichzeitig trimmte er First Choice durch straffe Kostenkontrolle auf Rendite.

Um die für eine Expansion innerhalb und außerhalb Europas nötigen Reserven zu mobilisieren, schlossen sich First Choice und der TUI-Konzern vor 5 Jahren zum größten Touristikkonzern in Europa zusammen, der heute insgesamt mehr als 20 Milliarden Euro umsetzt. „Unser Zusammenschluss funktioniert, weil sich unsere Stärken ergänzten und wir auf Augenhöhe zusammengefunden haben“, sagt Long.

Das Erfolgsrezept für den Konzern, der nach einer langen Anlaufphase Gewinne schreibt und hinsichtlich der Rendite den Rivalen Thomas Cook hinter sich gelassen hat, sieht Long im weiteren Ausfeilen seines einst für First Choice eingeschlagenen Weges. Er hat das Angebot weggeführt vom traditionellen Pauschalreise-Massenmarkt. „Wir wollen einmalige Hotel- und Urlaubserlebnisse bieten“, sagt Long. Hotelkonzepte wie Sensimar oder Puravida, konzerneigene Marken, die nur über TUI buchbar sind, sind Ausfluss dieser Idee. Für die Zukunft prophezeit er dem eigenen Konzern gute Aussichten: „Die Starken werden stärker, und die Schwachen bleiben schwach.“

Die nächste Herausforderung für den Dauerreisenden, der nach eigenen Angaben nur zwei Tage im Monat komplett in seiner englischen Heimat weilt, liegt im Osten. TUI Travel baut die Geschäfte in Russland aus, in einem Jahrzehnt will Long ebenso vielen Russen Urlaubserlebnisse bescheren, wie er aktuell in Deutschland erreicht. Auch in China sieht er große Chancen. Verbunden damit sei allerdings, sich auf komplett andere Reisegewohnheiten einzustellen: „Wenn die Sonne scheint, tragen die Chinesen einen Sonnenschirm in der Hand“, sagt er. Bislang führen sie zum Einkaufen nach Hongkong oder zum Vergnügen nach Macao. Dazu sollen bald Rundreisen durch Europa kommen.

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