“Wer nicht genug Geld bringt, fliegt raus”

Eigentlich ist es nichts Neues, was Jürgen Milski der “Süddeutschen Zeitung” verrät. Sein Interview ist aber mal wieder ein Beispiel, wie unbedarft Mitarbeiter des Senders “9Live” ihre Sicht der Welt in diese hinausposaunen. Ein kurzer Blick auf das Gespräch, in dem Milski vor allem verrät, was ihn – bei der Arbeit – alles nicht interessiert.

Wer als Call-In-Show-Moderator ein großes Verantwortungsbewusstsein besitzt, gibt es offenbar, wenn er es überhaupt mit zur Arbeit nimmt, an der Garderobe ab. Auch bei Zeitungsinterviews muss es wohl an einem Kleiderhaken im Foyer abhängen. Wohlwollend wird so die Replik des blonden Mannes zu erklären sein, der einst bei Ford am Band stand und nun wöchentlich zwischen einem TV-Studio in Unterföhring und Mallorca hin- und herjettet. “Selbst schuld. Soll ich mich um jeden einzelnen kümmern?”, erwidert Milski auf die Bemerkung, dass viele Menschen augenscheinlich so dumm seien und bei Call-In-Shows anriefen.

“Ja”, mag man ihm als Antwort entgegenschreien. “Ja”, weil immer mal wieder sechs Gewinnleitungen geöffnet sind, von geschätzt 80 Millionen (was wohl leider falsch getippt ist), und kein Anrufer die Glücksleitung trifft. “Ja”, weil immer mal wieder eine verzerrte Stimme von zehn bis null zurückzählt, um eigentlich nur die Schönheit einziffriger Zahlen zu demonstrieren. “Ja”, weil immer mal wieder Anrufer dramatische Schicksale offenbaren, in die sie ihr suchthafter Griff zum Telefon gestürzt hat.

“Nö. Echt nicht”, frotzelt aber Milski, ein schlechtes Gewissen habe er nicht. Immerhin, ihn interessieren nicht nur die Schicksale der Anrufer nicht, auch das Gedeihen des Unternehmens, das ihm seine Rolle auf dem Bildschirm ermöglicht ist ihm egal. Wie viel Geld “9Live” mit Leuten verdient habe, die angerufen haben, aber nicht durchgestellt wurden und folglich auch nicht gewonnen haben? “Das interessiert mich nicht. Ich weiß, wie viel ich verdiene – das reicht mir.” Und das sollen 30000 bis 50000 Euro im Monat sein, für Auftritte vor der Kamera oder wahlweise auf einer Mallorcabühne.

Aufregung über “9Live”-Spiele, Milski kann das nicht nachvollziehen. “Man kann doch auch nicht den Lottoschein ausfüllen und nach der Ziehung der Zahlen sagen: Ihr Betrüger, ich habe schon wieder nichts gewonnen.” Er mag es nicht glauben, aber genau das würde ich tun – vorausgesetzt ich würde Lotten spielen – , wenn bei “6 aus 49″ die 50 fallen würde oder zweimal in einer Ziehung die 23. Denn das wäre genauso, wie der zum Glücksdatum verklärte 31. Juni.

Doch offenbar muss man in manchen Jobs diese kritischen und verantwortungsbewussten Gedanken auslöschen. Denn – nochmal Milski: “Und jeder Moderator weiß: Es ist ein brutales Geschäft. Wer nicht genug Geld bringt, fliegt raus.”

Dieser Beitrag ist zuerst im Blog Vanity Care erschienen.

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