UKW – Ultrakurzweilig und nicht zukunftsfähig

Während Kritiker über die Qualität des Fernsehens klagen, oft das vorgezogene Sterbelied auf die Tageszeitung angestimmt wird, der demnach bald die Leser wegsterben, gibt es ein Medium, das ebenso reformbedürftig ist. Veränderungsdruck wird beim Radio aber nicht durch intellektuelle Instanzen aufgebaut, technische Veränderungen werden zur Reform nötigen.

Deutschland, dein Radio. Es ist heute ein Medium, das sich – wie Hans Hoff in der aktuellen Ausgabe des DJV-Magazins “Journalist” – oft als „akustischer Wurmfortsatz zu Recht geschmähter Boulevardzeitungen präsentiert“. Genauer sind es die Mainstream-Wellen, die sich als sogenannte Hot-ACs definieren, als Sender mit einem Musikprofil “Adult Contemporary”, was umgangssprachlich besser als die “Top-Hits der 80er, 90er und das Beste von heute” bekannt ist.

Es sind die Sender, die Happy-Dancefloor-Stücke, den obligatorischen Phil Collins und noch einen zum Klassiker hochgejazzten Titel aus der Dity-Dancing-Epoche aneinander reihen. Wellen, die vierteljährlich mit aberwitzigen Millionen- und Mitmach-Spielen aufwarten, wenn die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG.MA) wieder ihre Telefoninterviews zur Erforschung der Hörerzahlen gestartet hat. Stationen, die in dem Glauben, der kleinste gemeinsame Nenner begeistere größte Hörergruppen, zum Verwechseln ähnlich sind, dass sie bis zum Erbrechen ihren Sendernamen in so genannte Stations-IDs verpackt herausplärren müssen.

Diesen Sender droht Ungemach – nicht weil sich Reich-Ranicki nach dem Fernsehen den Hörfunk vorknöpft, sondern weil bessere Übertragungswege des klassische UKW-Radio ablösen werden. Dann wird die Ära vorbei sind, in der nur wenige Frequenzen zwischen 87,5 und 108 MHz verteilt werden konnten. Wer dann unter viel mehr Sendern, die auch nicht mehr nur regional begrenzt ausgestrahlt werden, Hörer gewinnen will, muss auffallen.

Wie stellen sich die Sender –private wie öffentlich-rechtliche – bislang darauf ein? Gar nicht. Man versteckt sich hinter Argumenten, dass der analoge Hörfunk ohnehin laut Telekommunikationsgesetz erst 2015 abgeschaltet werden soll – und lamentiert fleißig über die Nachfolgetechnik. Die ARD setzt noch auf DAB, einen Verbreitungsweg, der seit 1996 in Deutschland genutzt wird, sich bislang aber nicht durchsetzen konnte und auch nicht mehr das technisch Bestmögliche ist. Vertreter des Privatfunks favorisieren wahlweise den Nachfolgestandard DABplus oder Hörfunkergänzungen zu den Handy-TV-Techniken DMB oder DVB-H.

Dieser Technik-Streit ist kein Argument, Reformen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. Egal ob DABplus, DVB-H oder anderes – die mögliche Zahl der Sender, die ich an jedem Ort in Deutschland empfangen kann, wird sich durch neue Übertragungstechniken erhöhen. Dann kann kein Sender mehr mit Drei-Minuten-Nachrichten, die von Praktikanten aus irgendwelchen Web-Tickern abgeschrieben werden, Musikschleifen des Seichten und Moderatoren, die vor allem grinsen, damit man ein Lächeln in ihrer Stimme hört, punkten.

Dieser Beitrag ist zuerst im Blog Vanity Care erschienen.

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