Easter Eggs: Eiablage im Datendickicht

Spiegel Online vom 13. April 2009

Das Web ist voller Ostereier: Easter Eggs nennt man versteckte Inhalte in Programmen und auf Web-Seiten, die nicht nur zu Ostern zu finden sind. SPIEGEL ONLINE hat zehn kuriose Eier aufgestöbert – darunter Mars-Bewohner, das Buch Mozilla und einen geheimen Facebook-Satz.

Wäre Facebook ein Land, dann hätte es mittlerweile mehr Einwohner als Brasilien, Japan oder Russland. Das rechnet das soziale Netzwerk seinen Nutzern vor. Von den 200.000.000 aktiven Mitgliedern, die Facebook-Gründer Mark Zuckerberg gezählt haben will, werden die wenigsten Chris Putnam kennen. Putnam gehört zu den Menschen hinter Facebook. Er ist einer der Programmierer für das soziale Netzwerk, hat sich insbesondere um den Einbau von Videos gekümmert.

Jeder Facebook-Nutzer könnte Putnam mit einbinden, wenn er mit Freunden in Netzwerk chattet. Denn von dem Programmierer gibt es ein Emoticon, das Chatter an ihre Botschaften hängen können.

😀 produziert ein Grinse-Gesicht, 3:) ein kleines Teufelchen – und :putnam: ein Konterfei des Facebook-Gestalters. Problem nur: Das Putnam-Konterfei, ein Kopf mit brünettem Haarschopf, ist zum eigentlichen Zweck von Emoticons – etwas über die eigene Gefühlslage auszudrücken – schlecht geeignet.

Doch das soll das Mini-Bild von Putnam auch nicht. Es ist kein Emoticon im eigentlichen Sinn, sondern ein sogenanntes Easter Egg. Als solche Ostereier gelten in Computerprogrammen und Internet-Seiten versteckte Bilder oder Botschaften, mit denen Urheber ein kleines Erkennungsmerkmal hinterlegen – als versteckte Signatur.

Informationen über den Urheber in einem Werk zu verstecken, ist nicht neu. Seit Jahrhunderten fügen beispielsweise Maler Hinweise auf sich selbst in ihren Bildern ein. Selten so auffällig wie Rembrandt, der sich in seinem 1633 fertiggestellten vorösterlichen Motiv „Kreuzaufrichtung“ in den Mittelpunkt malt – als Mann, der höchstpersönlich das Kreuz mit Jesus aufstellt.

Die meisten Botschaften sind Suchaufgaben für den Betrachter, wie Putnams Easter Egg bei Facebook. Und der Programmierer-Kopf ist nicht die einzige in dem sozialen Netzwerk versteckte Botschaft.

Die Wachtel unter den Freunden

Jeder Facebook-Nutzer hat schon die Seiten aufgerufen, auf denen ein weiteres Easter Egg versteckt ist – meist, ohne es zu bemerken. Kein Wunder bei weißer Schrift auf weißem Grund. Unter der Liste der eigenen Freunde sowie unter der Freundesliste jedes beliebigen anderen Facebookers steht – sofern sie mehr als eine Anzeigeseite lang ist – der verborgene Satz „What doesn’t kill a quail only makes it stronger“. Auf Deutsch: Was eine Wachtel nicht tötet, macht sie stärker.

Sichtbar wird der Satz im Freiraum unter dem letzten aufgelisteten Freund nur, indem man ihn markiert. Wer also mit dem Mauszeiger mit gedrückter linker Maustaste über die Weißfläche fährt oder dreimal schnell im linken Drittel des Freiraums klickt, sieht die Wachtel unter den Freunden.

Googles Hase fängt die Eier

Wer sich nach der Eiersuche im Garten ärgert, in diesem Jahr wieder nur Vollmilchexemplare gefunden zu haben, während die Nougatausführungen verschollen blieben, sucht nach der Rückkehr an den Computer besser online. Und während die zu gut in der Hecke versteckten Krokant-Eier von Insekten und Vögeln zernagt werden, lassen sich Ostertrophäen im Netz einsammeln – zum Beispiel bei Google.

Ein wahrlich österliches Easter Egg hat die Suchmaschine seit Jahren auf einer Unterseite versteckt. Wer das Feature einmal entdeckt hat, muss online keine Eier mehr suchen, sondern er muss sie fangen.
Dafür ist mit dem Mauszeiger ein Hase so hin- und herzubewegen, dass die herabregnenden Eier direkt in sein Körbchen purzeln. Damit der Hase nicht jedem Ei hinterherhecheln muss, fängt man die mit Buchstaben beschrifteten Eier idealerweise in der Reihenfolge, dass sie den Namen der Suchmaschine ergeben.

Chatten auf dem Mars

Es gibt Leben auf dem Mars – zumindest treffen Reisende, die mit der aktuellen Version von Google Earth den roten Planeten ansteuern, dort einen Chatpartner. Die Programmierer der Software haben im Cydonia-Hochland auf der Nordhälfte des Mars Meliza ausgesetzt.

Zu finden ist der Chatbot über die Suchfunktion von Google Earth. Nach dem Start des Programms müssen Nutzer über den Menü-Button mit dem Planetensymbol von der Erde zum Mars wechseln, dann im Suchfenster Meliza eingeben. Und schon zoomt Google Earth zum einsamen Standort der Chatmaschine. Wichtig: Damit Meliza aus ihrem Versteck kommt, muss links in der Sidebar „A Traveller’s Guide to Mars“ mit einem Häkchen aktiviert sein.

Deren Name ist übrigens abgeleitet von Eliza, einem in den sechziger Jahren entwickelten Computerprogramm, das Gespräche zwischen Mensch und Maschine simulieren kann. Das dem Namen vorangestellte M soll nur aussagen, dass Meliza keine irdische Version des Chatbots ist, sondern eben eine auf dem Mars.

Unterhaltungen mit Meliza sind allerdings wenig erhellend. Mit Floskeln wie „Hello earthling“ oder „I’ve been hoping for someone to talk to“ begrüßt der automatische Chatter Besucher nach einem Klick auf das kastenförmige Gesicht mit den roten Knopfaugen. Danach arbeitet Meliza nach dem Prinzip, eingetippte Aussagen in Fragen umzuformulieren und sie dem Gesprächspartner zurückzuwerfen. Schweigt der Besucher, füllt Meliza das Schweigen durch Fragmente aus Lexikonwissen über den Planeten – auf Englisch. Hochgeistige Unterhaltungen sind auf dem Mars eben nicht zu erwarten.

Roboter marschieren im Firefox ein

Eine Invasion sprechender Blechkisten meldet der Browser Firefox in einem Easter Egg. Allerdings soll das kein Grund zum Fürchten sein. Die Roboter, die den Menschen via Browserfenster begrüßen, erklären zugleich, in friedlicher Absicht unterwegs zu sein. Zu lesen ist ihr freundlicher Gruß, nachdem man in die Adresszeilen „about:robots“ eingegeben hat.

Kein Weltuntergang nach der Landung von Robotern – das war auch im Science-Fiction-Film „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ von Robert Wise so. Auf diesen Schwarzweißklassiker aus dem Jahr 1951 wird dezent auf der Seite verwiesen. „Gort: Klaatz barada nikto“ – in dem Film der Schlüsselsatz, damit Roboter Gort nicht die Erde zerstört – erscheint nach dem Seitenaufruf in der Kopfzeile des Browserfensters.

Die about:robots-Seite ist bloß eine kleine Spielerei der Firefox-Programmierer. Sie ist aber wohl auch ein Ausdruck dessen, das an dem Browser große Sci-Fi-Fans mitgearbeitet haben. Immerhin soll Gerüchten zufolge die Zusatzseite nicht erst wie ein klassisches Easter Egg kurz vor der Veröffentlichung ins Programm geschmuggelt worden sein.

Und noch ein Verweis auf die Fiction-Welt der Roboter findet sich auf about:robots. In Stichpunkten listet die Seite einige mehr oder wenige ernst gemeinte Roboterregeln auf. Oberster Spiegelstrich ist dabei das erste Robotergesetz des russischen Sci-Fi-Autors Isaac Asimov: „Ein Roboter darf keinen Menschen verletzen oder durch Untätigkeit zu Schaden kommen lassen.“ Dass die Firefox-Roboter helfen, wenn sich ein Nutzer beim Surfen von einer Seite eine virenverseuchte Datei herunterlädt, ist allerdings bislang nicht überliefert.

Biblische Browsergeschichte

Die Aufstehung von Jesus Christ, der Anlass des Osterfests, ist in der Bibel nachzulesen. Biblisch mutet auch ein Easter Egg im Firefox-Browser an, das die Entwickler der Mozilla Foundation dort versteckt haben. Wer in die Adresszeile des Firefox „about:mozilla“ eingibt, bekommt aus dem Buch Mozilla Kapitel 11, Vers 9 (10. Auflage) angezeigt.

Eine Finte: Das Buch wurde nie dem Neuen Testament hinzugefügt. Die Zahlen 9 und 11 verweisen auf den 11. November 2004, den offiziellen Start der Firefox-Version 1.0. Zu lesen gibt es eine Allegorie auf den Werdegang des Browsers, mit allerlei tierischen Vergleichen.

„Der Mammon schlief. Und das wiedergeborene Tier breitete sich auf der Erde aus und wuchs zu einer Heerschar“, beginnt der Vers, der sich als Spitze gegen den Software-Konzern Microsoft lesen lässt, der mit dem Internet Explorer das Konkurrenzprodukt zum Firefox liefert. Schließlich heißt es: „Der Mammon wachte auf, und siehe: Er war bloß ein Nachahmer.“ Dass sich der Mammon Internet Explorer als Plagiator entpuppt, wäre dann eine Anspielung darauf, dass Microsoft in der Version 7 seines Browser das Internet-Surfen in Tabs einführte, was der Feuerfuchs längst anbot.

Das Easter Egg ist nur mit dem Firefox zu finden. Wer sich nicht vom Internet Explorer lösen mag, kann aber auf der Mozilla-Seite eine Zusammenstellung aller bislang veröffentlichten Verse aus dem Buch Mozilla nachlesen.

Übrigens: Nicht nur Mozilla versteckte hinter „about:mozilla“ ein Easter Egg, sondern auch Microsoft. Es lässt sich aber nur in älteren Versionen des Internet Explorers (Versionen 4 bis 6, bis Service Pack 1) aufspüren. Nach der Eingabe der beiden mit dem Doppelpunkt verbundenen Wörter färbt sich dort das Browserfenster Blau – wohl eine Adaption des Blue Screens, der unter Windows erscheint, wenn ein schwerer Systemfehler aufgetreten ist.

Google berechnet das Universum und sonst alles

Was die Welt im innersten zusammenhält, wollte schon Goethes Faust ergründen. Auch Douglas Adams warf im Science-Fiction-Klassiker „Per Anhalter durch die Galaxis“ die Frage „nach dem Leben, dem Universum und allem“ auf. Und er lieferte eine Antwort dazu, mit der Google jedem aushilft, der erneut danach fragt.

In Adams‘ Erzählung berichtet der Planetengestalter Slartibartfaß von hyperintelligenten Wesen, die einen Mega-Computer bauen, der ihnen die Antwort auf die universelle Frage allen Seins errechnen soll. Die Maschine wirft als Ergebnis 42 aus – ein wenig hilfreiches Ergebnis, da die konkrete Fragestellung dazu unbekannt bleibt.

Viel wurde nach der Veröffentlichung von „Per Anhalter durch die Galaxis“ über den Sinn der Antwort 42 spekuliert. Sci-Fi-Fans erdachten komplexe Rechenformeln, warum Adams genau diesen Wert wählte. Er selbst schien darüber eher belustigt und gestand Jahre später: „Es war ein Scherz.“

Das hindert Google dennoch nicht daran, bei der erneuten Berechnung der 42 zu assistieren. Wer „answer to life, the universe and everything“ in das Suchfeld eintippt, bekommt noch vor den Treffern auf allen möglichen Web-Seiten die Zahl ausgeworfen.

Wer hat es programmiert

Kein Kinofilm ohne Abspann, der die Namen aller Mitwirkenden vom Hauptdarsteller bis zum Beleuchter in der dritten Reihe nennt. Auch Browser-Programmierer befriedigen ihre Eitelkeit, indem sie ihren Namen in einer langen Liste erwähnt wissen wollen. Anders als im Kino erscheint sie aber nicht automatisch, kurz bevor sich der Vorhang beziehungsweise das Fenster schließt.

Im Browser muss der Nutzer selbst auf die Suche nach einem Easter Egg gehen. Im Firefox ist das Finden noch sehr einfach. Es genügt, „about:credits“ in die Adresszeile zu tippen, schon erscheint die Liste. Aufwendiger zu finden, aber auch aufwendiger als Abspann gestaltet ist die Reihe der Internet-Explorer-Entwickler.

Wer in die Adresszeile des Internet Explorer (Version 7) „res://shdoclc.dll/wcee.htm“ eingibt, erhält zunächst eine schwarze Seite, befindet sich aber auf gutem Weg zur Mitarbeiterliste. Rechte Maustaste klicken, aus dem Menü den Punkt Quelltext anzeigen auswählen, die Codezeile „if (DecodeStr(„gurjPRR“) != window.name) return;“ suchen und diese löschen. Dann muss die veränderte Datei über den Menüpunkt Speichern unter einem neuen Namen gesichert und im Internet Explorer geöffnet werden.

Und schon läuft die Liste der Microsoft-Mitarbeiter durch. Ex-Konzernchef Bill Gates ist übrigens einer der ersten Genannten.

Microsoftler grüßt Mutti

Nicht jeder Gruß erreicht seinen Adressaten. Und es darf bezweifelt werden, ob die Kurzbotschaft eines Microsoft-Programmierers an seine Mutter jemals direkt bei der Frau angekommen ist. Wahrscheinlich hat der Sohnemann es sogar in Kauf genommen, dass Mutti nie ohne Hilfe seinen Gruß erhält.

Vorrangig ging es ihm wohl darum, sich in den Tiefen der Ordnerstruktur des Bürosoftwarepakets Office zu verewigen, dort sein Easter Egg zu hinterlegen. Um das flapsige „Hi Mom“ auf grellgrünem Grund zu finden, ist als Hilfsmittel ein sogenannter Ressource Editor nötig. Verschiedene solcher Programme gibt es als Freeware zum Download.

Mit diesem Editor muss die Datei MSQRY32.exe geöffnet werden. In den Office-Versionen 10 und 11 liegt sie meist unter C:/Programme/Microsoft Office/Office 10/ beziehungsweise Office 11. Nach dem Öffnen der Datei zeigt der Ressource Editor einen weiteren Verzeichnisbaum. Im Verzeichnis Bitmap liegt dann der Ordner mit der Nummer 257, darin eine Grafikdatei – mit dem Gruß an Mutti.

Danke und Auf Wiedersehen von Amazon

David Risher war einst Vizechef beim US-Online-Versandhaus Amazon, bevor er 2002 das Unternehmen für eine Universitätskarriere verließ. Da er – wie Amazon-Chef Jeffrey Bezos schreibt, ein „großer Teil dessen ist, was wir gemeinsam aufgebaut haben“, widmete die Firma Risher als Dank für seine Verdienste ein Easter Egg. „Du warst der Inbegriff dessen, worum es bei Amazon.com geht: hart arbeiten, Spaß haben, Geschichte schreiben“, lobt ihn sein Weggefährte Bezos.

Um die versteckte Seite aufzurufen, muss man auf der US-Startseite von Amazon am unteren Seitenende den Link zum Verzeichnis aller Amazon-Shops klicken und dort mittig unter dem Copyrightvermerk einen unsichtbaren Link klicken.

Unter Easter-Egg-Sammlern gilt es als umstritten, ob Web-Seiten überhaupt als Online-Osterei gelten. Denn die Seiten bestehen meist nicht dauerhaft, werden bei einem Relaunch verändert oder gelöscht. Über das Amazon-Easter-Egg besteht allerdings weitgehend Einigkeit, dass es in die Sammlungen gehört. Unternehmenschef Bezos höchstpersönlich verspricht auf der Seite, dass die Dankeszeilen an Risher nicht gelöscht werden.

Dann widmet sich Bezos wieder seinem Hauptanliegen. „Und weil jede Seite verkaufen muss (und weil ich sicher bin, dass David es nicht anders wollte) hier die Möglichkeit, etwas zu kaufen.“ Zur Auswahl stehen 25 Artikel, die als Rishers liebste DVDs, Musikalben und Bücher angepriesen werden.

Mehr auf timo-kotowski.de

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