Tripadvisor wird Buchungsportal

F.A.Z. vom 15. Dezember 2015 Stephen Kaufer hat in 15 Jahren aus der Bewertung von Hotels ein großes Geschäft gemacht. Nun will der Chef der Tripadvisor-Plattform mehr: Die Urlauber sollen nicht nur über Reisen reden, sondern über seine Seite auch buchen. Damit greift er Mitbewerber an.

Ein Teil seiner Philosophie hängt an der
Tür. „Es ist nicht der Stärkste, der überlebt, auch nicht der Intelligenteste, sondern der Anpassungsfähigste im Wandel“, steht dort auf einem Zettel. Diese Regel, frei nach Charles Darwin, habe er – so verrät es Stephen Kaufer im Geschäftsbericht seines Unternehmens – an seine Bürotür geheftet.

Kaufer ist Gründer und Vorstandschef von Tripadvisor, der nach eigenen Angaben größten Reiseseite im Internet. 290 Millionen Bewertungen von Urlaubern zu mehr als fünf Millionen Hotels, Ferienwohnungen, Restaurants und Sehenswürdigkeiten sind dort gesammelt. 350 Millionen Mal im Monat wird die Seite irgendwo auf der Welt aufgerufen. Folglich sieht Kaufer sich nicht nur auf der Seite der Überlebenden des Wandels, sondern als einen der großen Gewinner in spe.

„Wir haben den Großteil aller Bewertungen für Reisen und Unterkünfte auf unserer Seite. Das ist noch immer unser Kerngeschäft“, sagt der Tripadvisor-Chef im Gespräch mit dieser Zeitung. „Aber wir sind jetzt auch ein Metasuchdienst und eine Buchungsseite.“ 15 Jahre nachdem der Informatiker mit Harvard-Abschluss den Grundstein für das Bewertungsimperium legte, hat er die
nächste Phase der Unternehmensgeschichte eingeläutet. Und die hat nicht mehr
nur mit Jedermann-Kommentaren zu tun.

„Wenn wir Reisende dazu bringen, nicht
nur Bewertungen bei uns zu lesen, sondern ihre Reise auch bei uns zu buchen, können wir weiter Jahr für Jahr deutlich größer werden“, sagt Kaufer. 2014 stieg der Umsatz um ein Drittel auf knapp 1,3 Milliarden Dollar (1,2 Milliarden Euro), das Zweieinhalbfache der Erlöse im Jahr 2010.

In der Reisewelt ist Kaufer Bewertungskönig, doch andere verdienen mit Urlaubern mehr. Der größte Reisevermittler der Welt, der amerikanische Priceline-Konzern mit dem Hotelportal Booking.com machte 2014 fast siebenmal so viel Umsatz und verdiente fast das Zehnfache der 226 Millionen Dollar, die Tripadvisor als Gewinn erwirtschaftete. Das Unternehmen liefert einen viel weiteren Überblick, wie es an einem Reiseziel aussieht, Booking ist aber eine der ersten Adressen, wenn es ums Buchen geht. Das Portal kassiert für jede Buchung eine Provision von 15 Prozent oder mehr des Übernachtungspreises. Tripadvisor vergleicht Preise und ernährt sich von Kleinbeträgen für Clicks auf Verknüpfungen, die zu Buchungsseiten führen. 70 Prozent der Einnahmen stammen daher.

Nun will Kaufer die Kräfteverhältnisse neu ordnen. Helfen soll das sogenannte Instant-Booking. „In Amerika und Großbritannien haben wir die Möglichkeit eingeführt, eine Unterkunft direkt zu buchen, ohne die Tripadvisor-Seite zu verlassen. Das wollen wir bald auf weitere Länder ausdehnen“, sagt er. Die Buchungsdaten gehen dabei nicht an sein Unternehmen, sondern direkt an Partner wie Hotels oder Buchungsportale. Ketten wie Marriott hat er dafür gewonnen. Zuletzt holte er sogar Booking.com dazu.

Kaufer verdient fortan mit an den Kunden, die zwar bei Booking.com buchen, aber dabei auf der Tripadvisor-Seite bleiben. Ein Datum, wann Instant-Booking in Deutschland startet, nennt er nicht.
Die Bundesrepublik ist für ihn ein schwieriger Markt. International ist er der größte Hotelbewertungssammler, hierzulande bietet Holidaycheck Paroli. Im Juli kam die Holidaycheck-Seite in Deutschland nach Angaben des Datenauswerters IVW auf fast 25 Millionen Besucher, zu Tripadvisor gingen etwas mehr als 14 Millionen. Im November war dagegen der Vorsprung dünn, bei Holidaycheck wurden 13 Millionen Besucher gezählt, bei Tripadvisor etwas mehr als 12 Millionen. Kaufers Geschäft ist nicht so stark mit der Quartiersuche für den Jahresurlaub verknüpft.

„Am Anfang haben wir uns auf Hotelbewertungen konzentriert, mittlerweile geht es uns um die gesamte Reise“, sagt er. „Wer in einer fremden Stadt unterwegs ist, soll auch Sehenswürdigkeiten, Restaurants und deren Bewertungen auf Tripadvisor ansehen und nach einem Besuch selbst eine Bewertung abgeben.“ Der Inhalteberg soll weiter anschwellen und stets größer bleiben als anderswo.

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