Hammelburg

Hammelburg wird den meisten nur durch die gleichnamige Ausfahrt an der A7 bekannt sein. Auf dem Weg zum Bundeswehrseminar in der Saaleck-Kaserne geht’s zwangsläufig am Ort vorbei. Ein kurzer Zwischenstopp in einem Ort, der wahrlich nicht spektakulär – zuweilen aber sonderbar ist.

Die großen Probleme der Welt sind fern. Ferner als die drei Kilometer, die das Lager Hammelburg vom Ort entfernt ist. Am alten Marktplatz scheint ein anderer Kampf bereits gewonnen. Nämlich der Wettstreit um den größten Bocksbeutel. Den hat nämlich der Schankwirt am alten Markt. Fast menschengroß hängt die Nachbildung an der Hauswand – auf Augenhöhe eine Scheibe und dahinter die Liste mit den Spezialitäten des Hauses, gekocht, gebraten oder gelagert und abgefüllt.

Der größte Bocksbeutel des Ortes ist mächtig, aber doch nur ein Botschafter der Provinz in den Proportionen der regional typischen Weinflasche. Auf den Frankenweinist man in Hammelburg auf seltsame Weise stolz. Aus dem gegenüber liegenden Torbogen schallt Musik.

“Zum Weinfest” weist ein weißes Schild in Pfeilform mit grünen Buchstaben. Bratwurst, Gebackenes und gefüllte Gläser aus Holzbuden gibt es dort. Dazwischen Bierzeltgarnituren – Tische und Bänke. Und in der Mitte eine Drei-Mann-Kapelle mit Akkordeon. Das Trio spielt tatsächlich den Ententanz. Senioren auf den Bänken schunkeln. Ein bisschen Frieden, ein Glas vom blumigen Franken und halt derEntentanz.

Die große Welt ist fern. Und von dem, was weit weg ist, macht man sich wohl irgendwie eigentümliche Bilder. Der Chinese des Ortes ist mehr ein Fast-Food-Shop. Kost aus Fernost wird in der roten Bude an einer Kreuzung schnell im Wok geschwenkt, danach verkauft zum Mitnehmen oder zum Verzehr auf den grünen Plastikgartenstühlen unterm Werbesonnenschirm.

Und ein Italiener? “Da haben wir zwei”, sagt ein freundlicher Mann. Entweder rechts herum oder geradeaus auf den Kirchturm zu. “Naja, bei dem einen gibt’s nur Döner”, fällt ihm seine Frau ins Wort. Dann der andere. Die Pizza ist weich wie Butter, der Salat standardmäßig mit Sahnedressing überschwemmt. Aber der Espresso danach geht aufs Haus. Wer brav ein Trinkgeld gibt, bringt die Bedienung in Verlegenheit. “Nun haben Sie ja den Kaffee doch mitbezahlt”, sagt sie und bietet als Ausgleich in Gläschen aus der Spirituosen-Sammlung an. Wer hier sonst speist, legt bei der Rechnung offenbar wenig dazu. Ganz anders als in Italien.

Auffällig sind auch die Nahaufnahmen. Der Fotoladen im Zentrum stellt Aufnahmen von Hammelburgern aus, die sich selbst und ihre Liebsten haben ablichten lassen. Eine Frau mit auftätowiertem japanischen Schriftzeichen zwischen den Schulterblättern, eine Blondine mit zu dick aufgetragenem Lippenstift in dunklem rosa, ein Pärchen auf dem Sofa. Er trägt Boxershorts, seine Arme hat er um eine dralle Brünette geschlungen, die in Dessous auf seiner Brust kauert.

Vom nahen Heer keine Spur – oder sind all die Beobachtungen Indizien, dass der Truppenstandort nahe ist? Die örtliche Lokalzeitung, die Würzburger “Main-Post“, wirbt um Leser aus der Kaserne mit dem Slogan “Diesen Lesebefehl befolgt jeder gern!”

Alle Folgen:

Folge 1: Kleines Kriegs-Tagebuch
Folge 2: Hammelburg
Folge 3: Eingerückt
Folge 4: Ein Schuss und eine Granate
Folge 5: Nord gegen Süd
Folge 6: Betreten
Folge 7: Auftrag und Bearbeitung
Folge 8: Im Gefecht
Folge 9: Gewehrmündung im Gesicht
Folge 10: Auftrag und Ideologie
Folge 11: Entführung
Folge 12: Aus Schaden wird man klug

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