Conichi will die Hotelrezeption ablösen

F.A.Z. vom 10. September 2015. Klein und Groß finden zusammen: Ein 24 Jahre alter Gründer hat das Buchungsportal HRS als Partner für sein Start-up gewonnen, das den Service im Hotel digitalisieren will. HRS ist das Millionen wert.

Mit einem Pizzaessen fing es an. Als die Teller leer waren, war die Partnerschaft so gut wie besiegelt. Maximilian Waldmann, 24 Jahre, Frankfurter und gerade mit seinem Betriebswirtschaftsstudium fertig, hatte Tobias Ragge, den Chef des Hotelbuchungsportals HRS, überzeugt, in die Idee des Gründers zu investieren. Sie soll dem Warten an Hotelrezeptionen ein Ende bereiten – mit Hilfe einer Smartphone-Anwendung und von Beacons, das sind kleine Sende- und Empfangsmodule, kaum größer als eine Streichholzschachtel. Zusammen bilden sie das Conichi-Prinzip.

Der Name von Waldmanns Anwendung ist der japanischen Begrüßung „Konnichiwa“ entlehnt. Denn der Service seiner Hotel Beacons GmbH soll gerade die Ankunft kundenfreundlicher machen. „Beacons sind virtuelle Tore in die reale Welt“, sagt der Frankfurter im Gespräch mit dieser Zeitung. Mit Ragge und seinem Mitgründer Frederic Haitz will er diese Türen aufstoßen. Einen hohen einstelligen Millionenbetrag ist dem HRS-Chef das wert. Obwohl die Partnerschaft nur eine Finanzbeteiligung ist, rücken das Hotelportal und der Beacon-Anbieter enger zusammen. HRS baut die Conichi-Technik in die eigene Smartphone-App ein.

Mit Ragge und Waldmann trafen zwei Gleichgesinnte aufeinander. Beide treten selbstbewusst auf, sind redegewandt und bereit zu schnellen Entscheidungen. Einen Unterschied gibt es doch: Der 14 Jahre ältere Ragge führt das von seinem Vater gegründete Unternehmen. Waldmann stammt aus einer Medizinerfamilie, entschied sich aber gegen den eigentlich vorgezeichneten Berufsweg. Vor allem sein Vater hätte es gern gesehen, wenn sich der Älteste von drei Brüdern der Medizin zugewandt hätte, statt ein Wagnis mit einer App und funkenden Kästchen einzugehen.

Bevor Waldmann Ragge am Rande einer Konferenz ansprach, was zum entscheidenden Essen führte, hat er rund 200 Gespräche mit möglichen Investoren geführt und reihenweise Absagen kassiert. Seine familieninternen Kritiker fühlten sich jedes Mal in ihren Bedenken bestärkt. Doch Waldmann hielt an seinem Sonderweg fest. Schon mit 15 Jahren hatte er zusammen mit einem Schulfreund sein erstes Unternehmen gegründet. Die Idee kam beim Gassigehen mit dem eigenen Labrador-Hund. Nachbarn fragten, ob er ihren Vierbeiner mitnehmen könne – weitere Anfragen folgten. „Als wir jeder mit sechs Hunden an der Leine unterwegs waren, merkten wir, dass wir das anders aufziehen müssen.“ Bei Helping Hands konnten Schüler und Studenten eine bezahlte Aufgabe finden, für die Bürger Hilfe suchten. „Zum Abrechnen bin ich damals mit dem Fahrrad gefahren“, erinnert sich Waldmann.

Nach dem Abitur entschied er sich zunächst gegen ein Studium, wollte lieber anpacken. Er bekam einen Praktikumsplatz bei einem Logistiker – in Afghanistan. Ein Jahr arbeitete er für das Unternehmen, das amerikanische Truppen mit zivilen Gütern versorgte. Die schusssichere Weste gehörte zur Dienstkleidung. Zurück in Europa, schnupperte er in das Arbeitsleben bei der Investmentbank Kleinwort Benson hinein, bevor er im britischen Bath und in Singapur doch studierte. Nebenher arbeitete er in Fernost für den Google-Konzern und lernte dessen Pläne in der Reisebranche kennen. Spätestens dort war sein Interesse an der Touristik geweckt.

Reise-Apps gibt es mittlerweile zuhauf, doch Waldmann sieht in der Hotellerie noch Nachholbedarf. „Zahlreiche Hotels haben die Zeit verschlafen, auf Innovationskonferenzen diskutieren sie noch über die Zahl der Steckdosen. Der Gast ist mittlerweile zu Hause besser mit Technik ausgestattet als im Hotel“, sagt Waldmann. Der Einsatz von App-Technik scheint für manchen Hotelier weiter entfernt als die Heimat seiner Kunden. „Ein Geschäftsreisender, der mehrmals im Monat im Hotel übernachtet, will sich aber nicht mehr jedes Mal anstellen“, erklärt er. Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation zum Hotel der Zukunft geben ihm recht. Demnach legen 91 Prozent aller Geschäftsreisenden viel Wert auf schnelles Einchecken. Das Gespräch mit dem Rezeptionisten ist für mehr als jeden dritten Geschäftsreisenden nicht mehr so wichtig.

Conichi knüpft daran an. Ob ein Gast ein Zimmer mit Aussicht möchte, für sein Bett ein Zusatzkissen wünscht oder ein laktosefreies Essen möchte, kann er vorab vom Smartphone aus wählen und für künftige Reisen speichern. Nähert er sich der Unterkunft, erkennt das Beacon-Modul am Eingang sein Smartphone und sendet Gästedaten an die Rezeption – Check-in erledigt, ohne Schlangestehen, ohne Buchstabieren des Namens. Auch Bezahlen ist über die App möglich. Nach einer Testphase mit 50 Hotels – darunter Häuser der Marken Prizotel, Meininger und Leonardo – soll die Conichi-Technik nun in mehr Unterkünfte einziehen.

Dass Herbergsbetreiber keine großen Server anschaffen müssen, überzeugte HRS-Chef Ragge. Die Beacons liefert das Start-up, für die Nutzung zahlen Hotels bis zu 2 Euro je Zimmer und Monat. „Conichi hat das Potential, den Kundenservice der Hotellerie für das digitale Zeitalter fit zu machen, und das ohne große technologische Investitionen“, begründet Ragge seine Investition. Bei der ersten Pizza räumte Ragge dann auch die größte Hürde für den Gründer aus. „Wir brauchten einen Partner mit einer großen Reichweite“, sagt Waldmann. Das Hotelportal, das Zimmer in mehr als 250 000 Domizilen international vermittelt, genügt dafür allemal. Für HRS dürfte die Anwendung willkommenes Mittel sein, um sich im Wettkampf der Portale vom Rivalen Booking abzuheben, der nach Branchenschätzungen am langjährigen Marktführer in Deutschland vorbeigezogen ist. Für Waldmann steht derweil fest, dass App und Funkkästchen im Hotel den Aufenthalt nicht anonym machen sollen. „Hotels ohne Seele sind grausam, mit neuer Technik können Hotels aber besser ihre Stärken im Service zeigen.“

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