Wie eine Branche um Lizenzen spielt

F.A.Z. vom 27. Januar 2016 Spielwarenhersteller wetteifern um Lizenzen für Filmhelden – von „Star Wars“ bis zur Eiskönigin. Doch künftig wollen sie selbst die Filmhelden kreieren, die sie dann verkaufen können.

Kinderträume wecken auch bei Erwachsenen Phantasien. Michael Sieber, der Chef des Fürther Spielwarenherstellers Simba-Dickie, lässt sie weit schweifen. „Ich sehe einen starken Trend, dass die Branchen für Spielwaren und Entertainment verschmelzen“, sagt er. „Und irgendwann gehen vielleicht Disney und Hasbro zusammen“, visioniert er zum Auftakt der Nürnberger Spielwarenmesse. Dafür gibt es zwar aktuell keinen Anhaltspunkt – das ist ihm bewusst. Doch mit der Beschreibung der Marschrichtung für den Spielwarenmarkt findet er unter Branchenmanagern viel Zustimmung.

Lizenzen, Vermarktungsrechte für Spielzeug, passend zu Kinofilmen und Fernsehserien, sind die nächste große Sache für den deutschen Markt. Die Star-Wars-Helden, die 2015 in die Kinos zurückkehrten, waren die Vorboten. Mit Bausätzen, Figuren und Phantasieschwertern zu dem Film haben die Spielzeuglieferanten einen Rekordumsatz produziert. 3 Milliarden Euro haben die Deutschen 2015 für Spielzeug ausgegeben – 7,5 Prozent mehr als im Vorjahr.

„Die Hälfte des Marktwachstums wurde durch Lizenzartikel erzielt“, sagt Karsten Schmidt, der Vorstandsvorsitzende des Spieleherstellers Ravensburger. Auch sein Unternehmen hat davon profitiert. Dabei überrascht es zunächst, dass schnelles Filmgeschehen und eher besinnliches Puzzlen zusammenpassen. Aber Schmidt hat eine Erklärung: „Viele der heutigen Erwachsenen sind schon mit Star-Wars-Filmen groß geworden.“ Nun würden sie auch galaktisch puzzeln. Der Ravensburger-Umsatz stieg nach vorläufigen Zahlen 2015 um stattliche 19 Prozent auf 445 Millionen Euro. In dem Plus ist auch der Kauf des Holzeisenbahnherstellers Brio enthalten, ohne Übernahme wäre ein Zuwachs von 10 Prozent geblieben.

Deutsche Kinder – und vor allem ihre Eltern – haben 2015 die Zurückhaltung gegenüber Film- und Serienhelden abgelegt. „Traditionell hat der deutsche Käufer eher pädagogisch gedacht, Spielzeug müsse nachhaltig sein“, sagt Christian Ulrich, der Marketingchef der Spielwarenmesse. Zu groß waren Sorgen der Eltern, Figuren würden in der Zimmerecke ein trauriges Dasein fristen, wenn der Kinobesuch in Vergessenheit gerät. Diese Bedenken scheinen ausgeräumt. 21 Prozent aller Spielzeugausgaben entfielen auf Lizenzartikel. In anderen europäischen Ländern sind es zwar knapp 30 Prozent, doch der Rückstand der Deutschen schrumpft. „2016 wird ein noch stärkeres Jahr für Lizenzen“, prognostiziert Ulrich.

Darth Vader und Yoda aus der Star-Wars-Reihe, Disneys Eiskönigin und die gelben Knubbelwesen, die sich Minions nennen, haben 2015 viele Spielwarenhersteller zu Gewinnern gemacht. Auch den Lego-Konzern, der mit 17,2 Prozent Marktanteil unanfechtbare Nummer eins auf dem hiesigen Markt ist. Rund eine halbe Milliarde Euro bezahlten die Deutschen 2015 für die Bausteine mit Noppen. Lego Star Wars ist mittlerweile die stärkste Produktreihe des dänischen Konzerns, gewichtiger als die klassischen Stadtszenerien. „Wir haben aktuell die zehnte Star-Wars-Produktreihe auf dem Markt, seit Beginn haben wir 190 Millionen verkauft“, berichtet Lego-Deutschland-Chef Frédéric Lehmann. Mit 66 Produkten soll das Sternenkrieger-Sortiment 2016 so groß sein wie nie.

Auch Simba-Dickie-Chef Sieber meldet einen Umsatzzuwachs von 2,3 Prozent auf 616 Millionen Euro. Damit es weiter aufwärts geht, hat er sich ein wahres Sammelsurium an Lizenzrechten zusammengekauft. Kinder in der Bundesrepublik, die sich eine Figur aus einem Disney-Film als Kuscheltier wünschen, kommen fortan nicht mehr an Simba-Dickie vorbei. Schneemänner zum Eisköniginnen-Film Frozen, Raubtiere aus der „Garde der Löwen“, der Fortsetzung des „Königs der Löwen“, und die Fische aus „Findet Nemo“, der in Verlängerung geht, machen aus Simba-Dickie eine Kuschelzone.

Die Spielwarenbranche ist auf die Lizenz gekommen. Immer mehr Hersteller reißen sich darum, an einem Leinwanderfolg teilzuhaben. Das treibt natürlich die Preise für die Rechte nach oben, um Design und Charaktere aus Filmen für Kinderzimmerprodukte übernehmen zu dürfen. Wer den Zuschlag bekommt, muss bis zu fast einem Fünftel seines Umsatzes an den Lizenzgeber weiterreichen. Deshalb kehren Spielwarenhersteller den Spieß um. Sie entwerfen eigene Themen, für die sie ihrerseits Lizenzen ausgeben. Partner drehen dann Filme, drucken Zeitschriften und bauen ergänzendes Spielzeug, das ein Hersteller nicht in den eigenen Hallen fertigen kann.

Vorreiter ist der amerikanische Hasbro-Konzern, der mit den Transformers – Robotern, die sich in Lastwagen und Flugzeuge verwandeln – ein Film-, Produkt- und Markenimperium geschaffen hat. „Wir werden immer mehr zu einer Entertainment-Gesellschaft, die Spielzeug produziert“, beschreibt der neue Deutschland-Chef Markus Großweischede den Kurs. Mittlerweile stehen die konzerneigenen Marken von den My-Little-Pony-Pferdchen bis zu den Transformers für die Hälfte des deutschen Hasbro-Geschäfts. Langfristig sollen sie den Konzern, der aktuell noch auf Rang sechs unter den Herstellern hierzulande steht, nach vorn katapultieren. Auch vor ungewöhnlichen Schritten macht Hasbro nicht halt: Für 2017 ist ein Kinofilm zum Monopoly-Brettspiel in Arbeit.

Auch Lego, der größte Profiteur der aktuellen „Star Wars“-Euphorie, ging schon 2014 mit Baumeister Emmet, dem Hauptprotagonisten im ersten Lego-Film, diesen Weg. Dazu kommt der Aufbau weiterer Markenauskopplungen wie der asiatischen Kämpferszenerie Ninjago und ab diesem Jahr die Gruppe der Nexo Knights, fünf in die Zukunft beförderten Rittern. Auch Simba-Dickie will nicht hinter Konzernen zurückstehen. Die Wesen eines seiner Produktthemen sollen zu Fernsehstars werden: Ob es zum Leben erweckte Bobbycars, Chi-Chi-Love-Handtaschenhündchen oder die bunten Safira-Drachen sein werden, ist noch offen.

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