Beinahe fast ausgebucht

F.A.Z. Woche vom 22. Juni 2018. Drängeln gehört zum Geschäft: Wenn Hotelportale mahnen, dass es nur noch wenige freie Zimmer gebe, muss das kein Grund zur Eile sein.

Ob im Zentrum von Berlin oder im Westen der Insel Kreta – es ist beinahe egal, wo der Urlauber für diesen Sommer sucht. Die Hotelzimmer scheinen fast überall knapp zu werden. Hier sind noch drei Räume einer Herberge verfügbar, dort nur noch eines. Die Botschaft des Buchungsportals Booking.com scheint unmissverständlich. Wenn ein Hotel „sehr gefragt“ ist, wie es auf der Seite heißt, und „in den letzten sechs Stunden 19-mal gebucht“ wurde, dann könnte bald in jedem Bett ein Gast liegen, kein Zimmer mehr frei sein und der Urlaubsplan Makulatur werden.

Auch der Booking.com-Rivale Expedia mahnt regelmäßig in roter Schrift: „wir haben noch fünf, vier, drei, zwei, ein Zimmer“. Nimmt man die Zahlen der Marktforscher von der GfK dazu, denen zufolge Ende Mai für diesen Sommer in Reisebüros und auf Online-Portalen schon 14 Prozent mehr für den Sommerurlaub umgesetzt wurden als zum Vorjahreszeitpunkt, dann scheint die Zeit für die Last-Minute-Buchung beinahe abgelaufen. Doch für Urlauber, die schon beim Lesen der Warnhinweise und nicht erst beim Kofferpacken in Hektik verfallen, lohnt ein beruhigender Blick auf die Feinheiten des Reisegeschäfts.

Was die Gestaltung einer Hotelbuchungsseite angeht, lässt sich Booking.com nachsagen, nahezu keine Möglichkeit ausgelassen zu haben, das eigene Geschäft zu optimieren. Mit Erfolg: Nach Angaben des Hotelverbands IHA ist der Portalbetreiber aus Amsterdam der Konkurrenz weit enteilt. Unter allen Online-Buchungen für deutsche Hotels, die vom Computer oder vom Smartphone über ein Portal erfolgen, werden fast 59 Prozent von Booking.com abgewickelt. Der einstige Marktführer HRS aus Köln steht nur noch für ein Viertel des Geschäfts und konzentriert sich auf Geschäftsreisende, während Booking.com detailversessen den Urlaubermarkt abgrast.

Kleine Arbeitsgruppen des Unternehmens haben sogar getestet, wie groß ein Name angezeigt werden muss oder ob das Klickfeld zum Buchen gelb oder blau sein soll, damit es häufig genug zum Geschäftsabschluss kommt. Denn die bittere Wahrheit ist: Gerade für Privatreisen führt eine Hotelrecherche fast nie direkt zur Buchung. In der Branche kursieren Werte, dass nur ein oder zwei von hundert Klicks auf von Anbietern bezahlte Urlaubsinserate bei Google tatsächlich einen Gast ins Hotel führen.

Booking.com und seine Rivalen helfen daher in diesem zähen Geschäft in eigener Sache etwas nach – mit einem psychologischen Trick. Dem Reisenden wird suggeriert, er könnte leer ausgehen. Wohl zur Illustration dieses Risikos dienen Suchergebnisse, die nicht mehr buchbar sind. Booking blendet dazu ein: „Gerade verpasst. Unser letztes Zimmer wurde vor ein paar Tagen gebucht.“

Während eine begehrte Einzelunterkunft tatsächlich komplett gefüllt sein kann, ist dieses Risiko für die Gesamtzahl aller verfügbaren Hotelzimmer an einem Ort sehr gering. Laut Deutschem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga waren 2017 die Zimmer in der Bundesrepublik nur zu 62 Prozent belegt. Über das Gesamtjahr gerechnet, steht also mehr als ein Drittel der Räume leer.

Trotzdem gibt es die Mahnungen von Booking, Expedia und Co. – und das völlig legal. In der Vergangenheit gab es mal Ärger mit Verbraucherschützern, weil Knappheit bloß behauptet wurde. Die Portale haben reagiert: Booking erklärt, es gebe nur wenige Zimmer „auf unserer Seite“, Expedia lässt wissen, „wir haben“ wenige Räume. Die Portale sind nicht mehr bloßer Vermittler, sie vermarkten eigene Zimmerkontingente. Und diese sind irgendwann ausgeschöpft. Das heißt aber: Woanders können mehr Zimmer verfügbar sein. Schon eine Recherche mit Metasuchdiensten wie Kayak oder Trivago, die komplett oder mehrheitlich den Mutterkonzernen von Booking.com und Expedia gehören, kann das zutage fördern. Eine Nachfrage direkt im Hotel erst recht.

Und teurer muss der Urlaub durch die Nachfrage an anderer Stelle auch nicht werden. Dafür hat das Bundeskartellamt gesorgt. Die Behörde hat es HRS und Booking.com als wettbewerbswidrig untersagt, von Hoteliers zu verlangen, dass sie ihre Zimmer nirgendwo günstiger anbieten als auf dem Portal.

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